Samstag, 27. August 2011

Die Geschichte Teil 39


"Es ist soweit" war im Kasten. Sie schleuderten Nowotny die Masterbänder vor die Füße und ließen ihn stehen. Der Mord an Trimmi zögerte das Veröffentlichungsdatum der neuen LP um einige Tage hinaus, weil sie die Platte unbedingt ihrem toten Freund widmen wollten und die Druckvorlagen dementsprechend geändert werden mussten. Trimmi wurde vier Tage später auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Die kleine Kapelle konnte die Menschenmengen nicht fassen. Viele mussten draußen warten. Während das Lied "Erinnerungen" von den Böhsen Onkelz durch die Kapelle dröhnte, gab es wohl niemanden, der nicht weinte.

Das Leben ging weiter, gnadenlos, ohne Pause. Seit Juni 1990 und mit Abgabe der Masterbänder für die "Es ist soweit", waren die Onkelz ohne Vertragspartner. Die Platte verkaufte sich in nur zwei Wochen 30 000 mal und kletterte im August 90 bis auf die Position 37 in den Albumcharts der "Nordparade".
Mehrere Ereignisse, von denen Trimmis Tod nur eines unter vielen war, beeinflussten die Laufbahn der Böhsen Onkelz massiv. Gonzo arbeitete noch immer als Maschineneinrichter. Er war oft auf Nachtschicht, und falls es mit den Böhsen Onkelz jetzt noch professioneller werden sollte, dann müsste er sich überlegen, ob er seinen Job nicht besser kündigte. Bisher verdiente keiner der vier Bandmitglieder soviel Geld mit der Musik, dass er es sich hätte leisten können, nicht zu arbeiten. Kevin hatte sich mehrfach mit Alf Diamond zerstritten. Alf galt als Abzocker, als einer der davon lebte, Menschen über den Tisch zu ziehen, wo er nur konnte. Lange würde Kevin sein Können nicht mehr an Alf verscherbeln, der sich mit dessen Kunst allmählich eine goldene Nase verdiente. Auch Pe hatte die Schnauze voll von seinem Job. Sein Chef war ein schwerer Choleriker, geldgierig und kalt. Pe würde lieber heute als morgen kündigen. Was Stephan anging, war auch er an einen Punkt gekommen, an dem er sich neu orientieren musste. Er war jetzt der alleinige Chef und Manager der Cadillac Ranch. Der Skate- und Snowboardboom hielt zwar noch an, aber in Frankfurt und Umgebung gab es zu viele Läden. Bis zum Herbst 90 rutschten die Konten der Ranch weit in den roten Bereich. Wenn sie von ihrer Musik leben und wenn sie ihre Jobs an den Nagel hängen wollten, dann war jetzt die Zeit gekommen. Jetzt mussten Entscheidungen getroffen werden, die die öffentliche Zukunft der Band und die private Zukunft der vier Musiker, absichern konnte.

Manchmal passieren die richtigen Dinge zur richtigen Zeit. Nachdem der Nowotnyvertrag erfüllt und ausgelaufen war, meldete sich prompt der nächste Interessent bei den Onkelz. Die alteingesessene Frankfurter Plattenfirma Bellaphon Records, war auch die Firma, über die der Vertrieb von Metal Enterprises lief. Das bedeutete, dass man im Hause Bellaphon stets einen genauen Überblick über die Verkäufe der Onkelz gehabt haben muss. Selbstverständlich war eine Band, die in zwei Wochen ohne Werbung und fast ohne Livekonzerte, ohne Medienpräsenz und ohne Radioairplay 30 000 Einheiten verkaufte, nicht lange allein. Der Chef der Bellaphon rief im Herbst bei Stephan an und bat ihn zu einem zwanglosen Gespräch in sein Büro. Das war nun eine ganz andere Verhandlungsbasis, als die Onkelz sie bisher kennengelernt hatten. Auch wenn sie viele schlechte Volksmusikanten unter Vertrag hatten, waren die Böhsen Onkelz hier gut aufgehoben, dachte Stephan. Kein alberner Ein-Mann-Betrieb, sondern eine Firma mit Rechtsabteilung und mit einem richtigen Chef, der ganz beiläufig so lässige Wörter wie "Vorschuss", "monatliche Auszahlung" und "Künstlerbetreuung" fallen lies. Bellaphon bot den Onkelz einen Künstlerexklusivvertrag über drei Studioalben, plus einer Option an. Bei einer prozentualen Beteiligung, die weit höher lag, als was sie bisher bekommen hatten. Sollten sich die Böhsen Onkelz zu diesem Schritt entscheiden, dann hieße das, dass sie ihre Jobs aufgeben und sich nur noch ihrer Musik widmen würden. Lange mussten sie nicht diskutieren, jeder in der Band war dazu bereit. Im Oktober 90 feierten die Onkelz mit der Bellaphonbelegschaft ihren Einstand in der neuen Firma. Der Vertrag startete am 01.01.1991. Dass Nowotny bereits seit längerer Zeit illegale Tonträger der Band herzustellen und sie über Bellaphon zu vertreiben schien, wusste außerhalb der Firma wohl niemand.

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