Mittwoch, 17. August 2011

Die Geschichte Teil 36

Stephan schrieb ständig neue Lieder. Es gingen ihm so viele Songs durch den Kopf, er hätte drei Alben herausbringen können. Ab Oktober 89 komponierten Gonzo und Stephan die Musik für ihre neue Platte, die 1990 erscheinen sollte. Auf der nächsten LP sollte es ein Lied über die 10 Jahre ihrer Bandgeschichte geben. Einen Jubiläumskracher sozusagen. Dazu einen Schocker über Sex mit Toten und natürlich viel Schmerz und noch mehr Leid. Zusätzlich fühlte sich Stephan aufgefordert, ein Lied über einen Heroinsüchtigen zu machen, dass er auf jeden Fall in der zweiten Person Singular schreiben würde.

Nowotny wollte nicht bis zum nächsten Jahr warten. Die Fans gierten nach etwas neuem von den Onkelz, und Nowotny gierte nach dem Geld. Um einen weiteren Umsatzträger zu schaffen, veröffentlichte er im Sommer 89 die "Lügenmarsch" Picturedisc. Außer dem simplen Kaufanreiz, den diese Veröffentlichung als Fotovinyl zu bieten hatte, wobei nur eine Seite mit einem Bild der Band bedruckt war, gab es auf der "Lügenmarsch" gerade mal zwei unbekannte Stücke und die waren nicht neu, sondern bei den Aufnahmen von "Kneipenterroristen" übriggeblieben. "Könige für einen Tag" war der typisch dekadente und ausschweifende Onkelz-Saufsong, der auf keiner Veröffentlichung fehlen durfte. Dazu kam das Lied "Lügenmarsch", als weiterer Hinweis der Musiker an ihre Kritiker und um ihre Ausrichtung als Metallband glaubwürdig zu machen.

Den Böhsen Onkelz war es scheißegal, was über sie geschrieben wurde. Wenn sich nur die Heavy-Metal Magazine ein richtiges Bild machten. Was in der Tagespresse stand, wenn überhaupt mal etwas geschrieben wurde, interessierte sie nicht. Stephan war zu dieser Zeit schon meilenweit von der Skinheadszene entfernt. Er legte jedoch großen Wert darauf, alle neuen Bekanntschaften mit dem Onkelzvirus zu infizieren. Seit dem Bestehen der Cadillac-Ranch hatten sich diese Kontakte noch vertieft. Im Juli 89 warf Stephan seinen Job als eigener Herr in seinem kleinen Transportunternehmen auf den Müll. Er hatte seine Firma während der letzten Jahre in die schwarzen Zahlen gebracht und war nun auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Einen Monat später stieg er in die laufenden Geschäfte Der Ranch mit ein. Pe schaute während seiner Mittagspausen vorbei, Gonzo und Kevin besuchten den Laden regelmäßig und sorgten alleine durch ihre Anwesenheit für Umsatz. Im Ranchbüro wurde jetzt auch die meiste Büroarbeit der Böhsen Onkelz erledigt. Wenn jemand etwas über die Band wissen oder Konzerttickets kaufen wollte, dann brauchte er nur in der Ranch anzurufen.
Freitagsnachmittags und samstagsmorgens war der Laden grundsätzlich rappelvoll. Stephan brachte seinen ehrgeizigen, titanischen Weidnerelan in die Geschäfte voll mit ein. Er, der Mann ohne Hauptschulabschluß, der Junge, den man von allen hessischen Schulen verwiesen hatte, stürzte sich umgehend auf das Management und die Buchführung und sorgte dafür, dass der Laden für eine kurze Zeit aufblühte. Dazu kam sein privater Umzug nach Kelkheim, wo er ein Haus am Waldrand mietete. Wo er hinwollte, wusste er zu dieser Zeit noch nicht, aber er war auf dem richtigen Weg, dass konnte er fühlen.

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