Dienstag, 26. Juli 2011

Die Geschichte Teil 21 - England

1986
Der Ausstieg der Band vollzog sich über die Jahre 85 und 86. Nicht wenige Altglatzen folgten dem selben Impuls.
Stephan und Gonzo weigerten sich, ihre Haare noch einmal schneiden zu lassen und Pe blieb mit seiner  Frisur irgendwo zwischen Kannisterkopf und Prollbürste hängen. Kevin erkannte zwar die Gefahr, die darin lag, wenn man sie als Band noch weiter in die rechte Ecke drängte, wollte aber dennoch bei seiner Glatze bleiben. Niemand in der Band zwang ihm eine Entscheidung ab. Dass die B.O. sich und ihre Musik begrenzten, wenn sie noch länger für eine kleine Gruppe von Fanatikern rockten, war auch ihm klar. Gonzo und Stephan hatten die Schnauze gestrichen voll. Es erschien ihnen geradezu lächerlich hart zu sein, um der Härte willen. Sie waren hart genug, jeder von ihnen. Den Nachweis mussten sie nicht täglich auf`s Neue erbringen. Jedes Bier, über das sie sangen, hatten sie getrunken und jede Schlägerei selbst erlebt. Jedes Gefühl von Sieg oder Niederlage, der ganze Hass, die Härte, der Dreck und all die Kotze und das Bier, das war von ihnen bereits vertont worden. Und wenn die Härte jetzt nur noch darin lag, rechtsradikal zu sein und immer mehr Skinheads dazu kamen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten, dann war es auch keine Bewegung, der sie noch länger angehören wollten.
Im November rief Steve Reeve (Sänger von Indescent Exposure) bei Stephan an. Er hatte für sie einen Gig klar gemacht, sagte er. Wenn sie wollten, könnten sie nach London kommen und am 17.12.85 in einem kleinen Pub spielen. Wenn sie wollten ? Klar wollten sie. London, Mutterstadt aller Jugendkulte. Sie hätten alles dafür gegeben, einmal in London zu spielen. Sie flogen am 16. Dezember. Bei DanAir gabs´s für 260 Mark ein Wochenendticket, und weil es so günstig war, hingen sich die Rüsselsheimer Skinheads gleich hintendran. Zu siebt bezogen sie ein Hotel in der Londoner Innenstadt und fingen sofort an zu saufen. In der Nacht warf Kevin einen Fernseher aus dem Fenster des Hotels. Einmal, weil kein Sender zu finden war und er nicht wusste, dass es in England kein Nachtprogramm gab, und zum anderen, weil jeder Rockstar, der etwas auf sich hielt, schon mal einen Fernseher aus einem Hotelfenster in London geworfen hatte.
Am Samstag Abend trafen sie sich mit Steve. Der Pub, in dem sie spielen sollten, hieß "No 5". Das Konzert sollte um Acht beginnen. Neben den regulären Pubbesuchern hatten sich 30 - 50 englische Skins eingefunden. Die Stimmung in diesem Pub war anders als in einer Kneipe in Deutschland. Es fiel einem sofort auf, dass die Skins ein fester Bestandteil der sozialen Ordnung in diesem Viertel waren. Das waren Jungs aus der Nachbarschaft, deren Väter wahrscheinlich an der Theke standen. Alle lachten, tranken und brüllten durcheinander und die Onkelz spielten ihre Lieder dazu und alle hatten Spaß. Von Steve hörten sie danach nie wieder etwas.

Die Rüsselsheimer Skins organisierten zusamen mit dem Eintracht Fanclub "Opel-Presswerk" ein Onkelz-Konzert im Frühjahr 86. Als Konzerthalle diente eine alte katholische  Pfarrei. Für Priester der Gewalt also genau der richtige Ort. "Rüsselsheim 86" war das erste und für eine lange Zeit auch das letzte Konzert vor einem gemischten Publikum. 1986 war nicht nur für die B.O. das entscheidende Jahr. Es gab zahlreiche Glatzen, die ähnlich dachten und sich in der Szene verraten fühlten. Die vielbesungene Einigkeit war längst zerbrochen.

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