Freitag, 8. Juli 2011

Die Geschichte Teil 12 Das 2. Demotape

Stephan war mit der Eintracht groß geworden. Fußball nahm, seit er laufen konnte, in seinem Leben einen wichtigen Platz ein. Da seine gesamte Existenz auf Kampf ausgelegt war, war es nicht verwunderlich, dass er an jedem Heimspieltag ins Waldstadion fuhr und sich an den Kämpfen beteiligte. Die Frankfurter Hooligan - Gruppe bestand aus Asikids, Ausländern und Prologymnasiasten ohne Skinhead- oder Punkroots. Viele dieser Jugendlichen hatten das plakative Bild der Medien übernommen und sind erst durch die Zeitungsberichte auf die Idee gekommen im Stadion mitzumischen. Seiteneinsteiger, die Bomberjacken trugen, die mit dem Skinheadkult mitschwimmen wollten, weil sie glaubten, es würde nur um Gewalt gehen. Entweder Jungs, die nichts zu verlieren hatten, oder Jungs aus gutem Hause mit Bock auf Krieg. Innerhalb kurzer Zeit vermischten sich hier die Werte. Wie zuvor in England, begannen jetzt auch in Deutschland die rechtsradikalen Parteien und Verbände verschärft in die Fußballszene einzugreifen. Diese Personen waren keine Glatzen, sondern Scheitelträger. Die Onkelz hassten diese lächerlichen Gestalten in ihren schwarzen Hemden und den albernen Krawatten. "Hör mal, ich bin von der FAP, du findest Ausländer doch auch scheiße, oder ? Hier ist ein Flyer von uns . . . wir veranstalten auch Skinheadkonzerte mit viel Freibier . . .", so sangen sie den Leuten ihre Paranoia ins Ohr. Die Idee des Skinheadkultes hatte gerade darin gelegen, sich nicht vor den Karren einer politischen Partei spannen zu lassen.
Man durfte nicht den Fehler machen, alle Skins in einen Topf zu werfen. Nur ein kleiner Teil der deutschen Skinheadszene war 1982 als rechtsradikal einzustufen. Die Mehrheit verstand sich als apolitisch und stolz. Stolz stand zu dieser Zeit eher für das Gefühl von Trotz gegen die eigenen Großeltern und Eltern. Das Gefühl der Gemeinschaft galt immer noch als höchstes Gut bei den Skins. "Skins united" stand über allem, und zudem gab es noch zahlreiche Freundschafften und gute Verbindungen aus alten Punktagen. Die Spaltung, die die englische Jugend erlebt hatte, war in Deutschland Anfang 83, noch nicht abgeschlossen.
Die B.O. gingen nun in eine Kneipe auf der Walter - Kolb - Str.. "Hanim`s Pinte" war der Laden einer Türkin und zum Skinheadtreffpunkt geworden.
Pe und Kevin waren Anfang 83 die letzten in der Band, die sich die Schädel rasierten und beide trugen jetzt das gleiche Tattoo auf dem Unterarm wie Gonzo. Die B.O. waren eine der ersten reinen Skinheadbands in Deutschland. Seit kurzer Zeit hatten sie ihren eigenen Proberaum in einem alten Bunker in Offenbach. Das 2. amtliche Demotape entstand, auf dem zwei Lieder der Onkelz zu hören waren, die sich mit dem neuen Thema "Skinhead" auseinander setzten. "Stolz" und "Deutschland den Deutschen". "Türken raus" wurde neu vertont und 8-spurmäßig veredelt. Dazu kamen mehrere Punk und Oi - Punkstücke aus dem letzten Jahr. "Deutsche Welle", eine Absage an Extrabreit und die ganze New - Wave - Ramschbande. Dazu "Bullenschwein", "Oi, Oi, Oi", "Idiot", "Schöner Tag" und "Ich lieb mich". Ein weiterer Reißer, der "Bruno Baumann" hieß, war ein Song, den Stephan über einen Arbeitskollegen von Pe geschrieben hatte. Bruno Baumann war ebenfalls Schweißer. Er war doof, lahm und rothaarig und sah dazu noch aus wie ein Monster. Der Song stellte Bruno als irren Triebtäter dar, war aber als Verarschung gemeint.

Bruno Baumann
Eines schönen abends, wird sich Bruno klar
dass er anders, als andere Kinder war
er griff sich in die Hose und wunderte sich sehr
er hörte in der Schule da unten wär noch mehr

Bruno Baumann - Sorgenkind
Bruno Baumann - ohne Pint
Bruno Baumann - Sorgenkind

Er schrieb an Doktor Sommer, er hätte ein Problem
ihm fehlte da ein Teilchen, ob er`s noch bekäm
die Diagnose lautet, er wär nicht ganz normal
da dachte sich der Bruno, jetzt ist mir`s scheißegal

Bruno Baumann - wird zum Schlächter
Bruno Baumann - wird zum Tier
Bruno Baumann - wird zum Schlächter

Er suchte sich ein Opfer und nahm es mit nach Haus
er steckte es in den Keller und zog ihm alles aus
er griff ihm an den Schwanz, da wurd ihm plötzlich klar
dass unser Bruno Baumann nur Brunhilde war.

Die Songs der B.O. besaßen jetzt einen richtigen Aufbau, richtige Strophen und Refrains, Breaks und Effekte.
Deutschland den Deutschen war ein neues Lied, dass Stephan geschrieben hatte, um seiner Wut über Jugobanden, Türkenpoppergangs und Ausländer im allgemeinen Luft zu machen. Es war eigentlich kein neuer Song, sondern es war das Lied "Oi, Oi, Oi" mit verändertem Text. Dort wo es noch im letzten Jahr "Punks und Skins im Zusammenhalt, gegen euch und eure Staatsgewalt" hieß, sangen sie jetzt : "Skinheads im Zusammenhalt gegen Euch und Eure Kanakenwelt". Aus dem Chorus, der vorher "Oi, Oi, Oi" hieß, wurde jetzt "Deutschland den Deutschen" und "nur bis jetzt haben immer die Bullen gesiegt", hieß in der neuen Fassung : "nur bis jetzt haben immer die Kanaken gesiegt". Stephan hatte den Song schnell wieder verworfen, weil er die Zeile "Deutschland den Deutschen" Scheiße fand. Mit diesem 79er NPD Wahlkampfslogan würden sie automatisch den Scheitelträgern der FAP in die Hände spielen. Letztendlich wurde der Song nur eingespielt, weil es sich um ein Demotape handelte.
Ungefähr 100 Sprösslinge dieses Mutterbandes gingen auf ihre Reise durch die Republik und reproduzierten sich rasch im Skinheadszenedreieck zwischen Hamburg, Berlin und Frankfurt.Wieviele Ableger schließlich durch die Gegend schwirrten, ließ sich nicht mehr nachvollziehen, dass es mehr als 500 waren, daran bestand kein Zweifel. Es gab kaum einen Skinhead in Deutschland, der nicht eine Kopie oder eine Kopie einer Kopie besaß und keinen Frankfurter Hooligan, der nicht von den B.O. gehört hatte.

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