Freitag, 15. Juli 2011

Die Geschichte Teil 17

Der "Frankreich Überfall" im Juni 84 gestaltete sich anders, als geplant. In Straßburg schwappten Stephan, Pe und Kuchen zwischen einer gewaltigen Horde von Hooligans und Fußballasis hin und her, und als leicht zu erkennende Skins bekamen sie vor dem Mainaustadion von den Bullen noch ein paar Extrakopfnüsse. Die Eintrittskarten wurden ihnen abgenommen und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als an die Mittelmeerküste zu fahren. Dort am Strand sprachen Pe und Stephan zum ersten Mal über etwas, das sich erst seit den letzten Wochen bei ihnen bemerkbar gemacht hatte. Ein Gedanke, der langsam aber stetig in ihnen wuchs, bis er reif dafür war, ausgesprochen zu werden.
"Es fängt an zu nerven . . . alles fängt an zu nerven. Scheiß drauf.
Scheiß auf Fußballrandale und auf die Hooligans.
 Scheiß auf Hosenträger und Klamottenregeln.
Scheiß auf alles, nur nicht die Band."
Gonzo hatte seine Zeit bei der Marine mit 14tägigen Aufenthalt im Marinegefängnis abgeschlossen. Ein Disziplinarverfahren wegen Kameradenmißhandlung hatte ihn am Ende dorthin gebracht, weil er einem Frischling, der mit seiner Weigerung einen Gang zu kehren, dafür gesorgt hatte, dass die gesamte Mannschaft ihren Freitagabendzug nach Hause verpasste, eine Ohrfeige gegeben hatte. Es war eine weitere disziplinarische Maßnahme gegen ihn, eine von vielen, die ihm den Ausstieg aus dem Soldatenleben nur noch leichter machte.

Die Arbeit an Bord und an Land, hatte Kevin mächtig in die Breite gehen lassen. Er war zu einem großen, feisten Aggro Skin herangewachsen. Tätowiert und leicht reizbar, die Sorte, der man besser aus dem Weg ging. Kevin war Skinhead und wollte es auch bleiben. Er und Gonzo hatten sich neue Tattoos stechen lassen. Einen gesichtslosen, gekreuzigten Skinhead in Jeans mit Hosenträgern und aufgekrempelten Hemdsärmeln, trugen sie auf ihrer Brust.
Seit dem Spätsommer 84 war Kevin auf einem anderen Schiff unterwegs, wo er mit einem türkischen Arbeitskollegen in Streit geriet. Ein Wort gab das andere, bis Kevin ihm einen Arschtritt gab. Er war in den letzten Monaten wiederholt mit sämtlichen Mitgliedern der Schiffsbesatzung aneinander geraten und dieser Arschtritt war der letzte von vielen Zwischenfällen. Er musste noch am gleichen Tag seinen Seesack packen und verschwinden.
Kevin war am Ende. Wut und Hass gegen jeden, tödlicher Weltschmerz und bizarre Alpträume waren seine ständigen Begleiter. Die Vorstellung, zu seiner Mutter zurückkehren zu müssen, war wie ein Schlag ins Gesicht. Es war, als wenn er wieder ganz von vorne anfangen müsste. Von Antwerpen aus fuhr er nach Frankfurt und klingelte bei Moni. Stephans Schwester wohnte seit einiger Zeit mit ihrer Mutter zusammen. Sie hatte den Schulabschluss versäumt und kochte auf kleiner Flamme. Ihr Vater hatte sie bedroht, wenn sie zum Sozialamt ginge und die herausfänden, dass er für seine Familie keinen Pfennig Unterhalt zahlte, dann würde sie es bereuen. Also schlug sie sich mit Jobs durch, ging putzen und war ohne Freund. Moni war eine sensible junge Frau von 20 Jahren. Die Briefe, die Kevin ihr geschrieben hatte, und seine Zeichnungen hatten sie tief aufgewühlt. Sie hatte ihn während der letzten Jahre schmerzlich vermisst, hatte viel an ihn denken müssen und beständig darauf gehofft, dass sie noch einmal zusammen sein könnten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen