Mittwoch, 13. Juli 2011

Die Geschichte Teil 15 - Der nette Mann

1984
1984 meldete sich der Independent - Produzent Herbert Egoldt bei den B.O.. Er würde gerne eine Platte mit ihnen machen und die gesamte Produktion finanzieren, sagte er. Die Band sollte in ein Studio und ihm die fertigen Bänder schicken. Alles andere würde noch geregelt werden. Egoldt war ein Rockfossil. Schon in den 70er Jahren besaß er ein eigenes Label, das er "Big H" nannte. 1977 hatte Egoldt seinen Plattenladen "Rock -O - Rama in Brühl eröffnet und 1982 gründete er das gleichnamige Label.
Egoldt hatte das MTV - Studio in Frankfurt angemietet, wo die Onkelz im April 84 einen Termin hatten. Stephan und den anderen wurde es fast schwindelig vor Aufregung. "Wir machen ein Platte", sie konnten es kaum glauben. Anfang Mai kam "Der nette Mann" auf den Markt. Eine politische Motivation steckte hinter dem 1. Vinyl der  Onkelz nicht. Niemand in der Band gab etwas auf Politik. "Der nette Mann" handelte in erster Linie von Saufen, Ficken, Fußball, Mord und Totschlag. Mit 14 Stücken präsentierten sich die B.O. als 1. Skinheadband der deutschen Öffentlichkeit, und wer immer "Der nette Mann" als hartes brutales Album empfand, der brauchte ja nur mal den Fernseher anzuschalten oder in die Zeitung zu schauen. So wie sie sich als echte dreckige Punks verstanden hatten, so eindeutig standen sie jetzt hinter dem Skinheadkult. Nicht nur ihr Äußeres glich den englischen Skins bis hin zum kleinsten Detail, auch ihre innere Haltung war stark an das englische Ideal der 70er Jahre angelehnt. Ein Skinhead zu sein bedeutetet für jeden in der Band, dass es das großartigste Gefühl von Gemeinschaft überhaupt war.

Was die Tattoos anging, hatte sich eine Menge getan. Gonzo hatte ein paar Doc`s auf seinem linken Unterarm und die Deutschlandfahne auf dem Oberarm. Kevin fühlte sich zu Recht als halber Engländer, was sich auch in dem neuen "Westham United" Tattoo ausdrückte, das Gonzo ihm mit einem Skalpell und einem Glas Tinte zugefügt hatte. Stephan und Kevin ließen sich "SKIN" auf die Innenseiten ihrer Unterlippen tätowieren, Kevin trug die 4 Buchstaben auch auf den Fingerknöcheln seiner linken Hand und einen Skinheadschriftzug über dem linken Ohr. Kevins gesamter linker Arm war inzwischen bebildert. Während einer Schiffsreise hatte er sich Farbe und Nadel besorgt und schon die ersten Experimente am eigenen Körper gewagt. Sinnennetz am Ellbogen und Drachen auf der Schulter. "Ausmalen" nannte er das. Russell hatte es sich zum Ziel gesetzt, alle freien Stellen seines Körpers, außer dem Gesicht, den Fußsohlen und dem Penis auszumalen. Für ihn war es das erste Mal, dass er eine eigene Identität besaß. Kevin fühlte sich als ein Fasterwachsener in einer verschworenen Gruppe von Freunden. Er war Kevin Russell, Matrose, Skinhead und Sänger, die Stimme der Böhsen Onkelz. Das war etwas, das ihm so wertvoll war, das er es nur spüren, aber auf keinen Fall beschreiben konnte.

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