Mittwoch, 25. April 2012

Die Geschichte - Teil 64

In die ausverkaufte Hamburger Sporthalle am 23.10.96 kamen sichtbar viele Fans aus verschiedenen Lagern. Härteste Punks standen neben krassesten Skins. Dazwischen zappelten Teenies mit bunten Haaren, Leute mit Dreadlocks, Härtner, Langhaarige, Normalos, Baseballkappen, Wollmützen und auch ausländische Jugendliche. 8000 Leute sangen "Wieder mal nen Tag verschenkt", keine Gewalt, keine Schlägereien, nicht ein einziger Hitlergruß. Auch wenn sich nach dem Konzert, vereinzelte Grüppchen von Punks und Skins gegenseitig in den Arsch getreten haben sollen, gab es hier die ersten Anzeichen einer friedlichen Annäherung. Hamburg war keine Ausnahme, aber dort fiel es auf. So wie in Bremen, Hannover, München, Ulm, Frankfurt, Düsseldorf. Konzerte, die es in solcher Form in Deutschland noch nie gegeben hatte.

Ende September erschien das neue Album "E.I.N.S.". Zwei Tage nach der Veröffentlichung stand die CD auf Platz 4 der deutschen Longplay-Charts. E.I.N.S. war die Versiegelung der Freundschaft wischen der Band und ihren Fans.
Die Menschen, die sich die Onkelzscheiben kauften, waren die Menschen, die die Onkelz unterstützt hatten, und das war etwas, was die Band ihren Fans niemals vergessen würde.

"Freundschaft gibt uns Kraft, die uns stark macht in der Not. Einigkeit heißt die Devise, wir sitzen alle im selben Boot!"

Eine Einsicht,die Stephan während seiner Skinheadphase gehabt hatte und die er durchaus auf die heutige Zeit übertragen konnte. Sie hatte auch heute noch Gültigkeit, wobei die Band in langjähriger Kleinarbeit ihr eigenes Weltbild und das der Fans entscheidend geprägt und erweitert hat. Die gemeinsame Verarbeitung des Lebens sollte mit E.I.N.S. zementiert werden. ". . . mit dieser Band hast du nicht viele Freunde, doch die die du hast, teilen alles mit dir . . ."
Jugendliche aus allen Lagern, wohlgemerkt. Wer konnte denn wissen, wieviele dieser Leute ihre Hoffnung an die Onkelz hingen oder wieviele durch die Lieder inspiriert wurden, wieviele daraus lernten oder Kraft schöpften ?
E.I.N.S. hatte etwas mit Glauben zu tun. Nicht mit Glaube, wie ihn die Kirche predigte, sondern mit einer Kraft, die von innen kam.
Für alle die 1996 immer noch keinen Plan hatten :

Was man den Onkelz in Wirklichkeit übelnahm, war, dass sie sich niemals irgendwo angebiedert hatten. Weder bei den Redaktionen, noch bei irgendwelchen Plattenfirmen, weder bei Viva noch bei MTV.
Für lange Zeit hatte es so ausgesehen, als wenn sich die Jugend nie wieder vereinigen würde. Weder in Deutschland noch sonst wo. In Osteuropa blühte der Skinheadkult. Glatzenexperten schätzten ihre Zahl auf 300 - 350 000, mit eigenen Konzerten und eigenen Bands. Wie konnte es sein, dass zu den Onkelzkonzerten seit dem Frühjahr 86 nie mehr als 50 - 80 Skins gekommen waren ? Und wie konnte es sein, dass die Hitlergrüße seit 89 weitgehend ausblieben ? Einer hier, zwei dort, und immer war das Konzert unterbrochen worden oder der Übeltäter war unter dem Jubel der anderen Zuschauer hinausgeworfen worden. Solche Sachen sprachen sich herum. Vielleicht waren die wenigen Glatzen, die noch zu den Onkelzkonzerten kamen, auch die, die sich weiterentwickelten und sich nicht vor den Karren einer rechten Partei spannen ließen. Das gleiche galt vielleicht auch für die Hardcore-Punks, die nun wieder öfter bei Onkelzkonzerten auftauchten.
Nicht die Onkelz haben die Gewalt in die Herzen der Jugendlichen gepflanzt und auch nicht nur die "netten Männer", die Väter, Pfarrer, Politiker oder Nachbarn. Gewalt war in uns. Sie brach hervor oder wurde unterdrückt. Bei den Konzerten konnten die Fans, wer auch immer diese Leute waren, die Gewalt heraussingen. Das, und nichts anderes, machte das Faszinosum "Böhse Onkelz" aus.
Immer, wenn sich die Böhsen Onkelz trafen entfaltete sich augenblicklich diese typische Magie. Jeder, der die Band auf der 96er Tour gesehen hatte, konnte das bestätigen.
Die Seele der Band, das war klar, und das hatte sich auf der 96er Tour deutlich sichtbar bestätigt, war Kevin. Seit 96 genoss er wieder großen Respekt in der Band. Kevin war clean und hochmotiviert, das konnte man sehen.

Nichts ist für die Ewigkeit,
nichts bleibt wie es war
nur vier Jungs aus Frankfurt sind schon lange, lange da.
Die Welt hat uns verlangt, sie hat nichts besseres verdient,
habt ihr noch nicht erkannt . . . warum es Böhse Onkelz gibt.

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