Dienstag, 17. April 2012

Die Geschichte - Teil 63

Wenn es der Hass gewesen war, der die Onkelz antrieb, gegen wen richtete sich dieser Hass ?
Vielleicht war es inzwischen gar nicht mehr ihr eigener Hass, vielleicht war es auch der Hass der anderen, der sie antrieb und das Gefühl, etwas Richtiges zu tun. Es sah oft so aus, als dass sie, seit sie sich zu ihrer Geschichte bekannten, den Hass erst richtig auf sich zögen.
Und wenn es Einsicht oder ein Erlösungswunsch war, der sie weitermachen ließ, Einsicht von was ? Erlösung wovon ?

An welcher Wahrheit waren sie nah dran ?

Wer belog sich selbst ?

Wieso brachten sie die Dinge auf den Punkt und sagten, was sich keiner traute ?
Was traute sich denn keiner zu sagen ?

Ich bin der nette Mann von nebenan
und jeder könnt es sein
schaut mich an, schaut mich an
ich bin das perverse Schwein . . .

Warum hatte man Angst davor, dass die Band dieses Lied vortrug ? Onkelzfans waren gewiss keine Kindermörder, die meisten waren selbst erst zwischen 15 und 25. Gingen die Anschuldigungen im Belgischen Kinderschänderskandal etwa nicht bis in die höchsten Ebenen von Politik, Polizei und Gesellschaft ? Wurde in Deutschland etwa nicht alle drei Minuten ein Kind misshandelt ? In Hannover 1996 spielten sie es trotzdem, mit folgender Ansage :
Stephan :
"Wir spielen das folgende Lied nicht, um eine scheiß Plattenfirma wie Rock´O´Rama zu unterstützen, sondern nur, weil wir glauben, dass es in einer Zeit, wo es von Päderasten und Kindermördern nur so wimmelt, aktueller ist denn je und um Euch zu zeigen, dass wir uns von niemandem etwas verbieten lassen. Der fucking nette Mann, für die Bullen !!"

Dann legten sie los, und die beiden Polizisten, die hinter der Bühne standen und als Zeugen geladen waren, für den Fall, dass die Band tatsächlich dieses Lied spielen würde, waren zufrieden. Schmunzelnd zogen sie ab, machten ihre Meldung und sorgten dafür, dass die Onkelzkasse um 40 000,- DM leichter wurde.
40 000 Eier für ein brutales Lied gegen noch brutalere Kindermörder !

Konnte es sein, dass man die Jugend nur deshalb in zwei Lager aufteilte, in links und rechts, gerade damit sie sich bekämpfte und ein unsichtbarer Dritter darüber lachte oder sich das Geld einsteckte, das dabei raussprang ? Konnte es sein, dass irgendjemand dafür sorgte, dass es immer so blieb ? Es gab eine Menge Fragen, die im Fernsehen diskutiert wurden, aber niemand stellte die richtigen. Und wenn, dann wurde er abgeblockt. Krampfhaft versuchte uns jemand zu erzählen, alles sei in Ordnung. Die Wahrheit, und das war auch die Wahrheit der Onkelz, ihrer Fans, und all derer, die wirklich nachdachten, hieß aber : Gar nichts war in Ordnung. Und das, was uns als Lösung angeboten wurde, war in Wirklichkeit nichts anderes als eine halbherzige Schadensbegrenzung. Wir waren Gefangene in unserem eigenen Fernsehknast. Die richtigen Fragen, die es zu stellen galt, waren in der Tat politischer Natur und würden darum in einer Biographie über die Onkelz keine Erwähnung finden. Nur soviel : Die Frankfurter Band versuchte, ihre Gewalt zu verarbeiten, aber die Medien brachten sie mit ihren dummen Geschichten immer wieder zurück. Nur weil die Fans angeblich den Eindruck machten, dass sie keine Interessen hatten außer Saufen, Prügeln und Onkelzmusik, hieß das nicht, das es in Wirklichkeit auch so war, hieß nicht, dass sie nicht auch Antworten haben wollten oder dass sie mit ihrer Situation zufrieden waren. Und vielleicht hatten viele der Fans dieselben Fragen. Was ging eigentlich ab ? Was wurde hier eigentlich gespielt ? Wer schürte wirklich die Gewalt und den Hass ? Hatte der Frankfurter Philosoph Adorno nicht nachgewiesen, dass das Fernsehen und die Massenmedien alle Eigenschaften einer Droge aufwiesen und die niedersten Instinkte stimulierten ? Hatte er nicht auch davor gewarnt, dass das Fernsehen ursprünglich die Realität imitiert hatte und sich dieser Vorgang irgendwann umkehren würde, so dass die Realität das Fernsehen imitierte ? Wo kam die Beeinflussung zur Gewalt wirklich her ? Jeder einzelne Onkelzfan machte eine Entwicklung mit und nur die Wahrheit konnte allen helfen. Jeder Einzelne musste getrennt beurteilt werden, und nur das "Bewusstmachen" brachte die "Erkenntnis" der Zustände mit sich. Die Wahrheit zu sagen, war ein schmutziges Geschäft. Erst ignorierte man die Band und belegte sie mit Verboten, dann diffamierte und denunzierte man sie, manipulierte die öffentliche Meinung und säte Hass. Man bekämpfte und boykottierte, und als alles nichts half, überschüttete man sie mit Geld. Wer war eigentlich "man" ?

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