Mittwoch, 8. Februar 2012

Die Geschichte - Teil 54

Die Band war der ideale Sündenbock für die Versäumnisse der Gesellschaft. Sie waren eine Gruppe von Personen, die leicht angreifbar war, da sie im Interesse der Öffentlichkeit stand und sich auch innerhalb dieser Öffentlichkeit zwischen die Fronten wagte. 1993 wurden die Onkelz zum Repräsentanten dessen, was in der Gesellschaft schief lief. Sie waren ein Beispiel des "Sich-Bekennens" und zogen somit automatisch Ablehnung und Zustimmung auf sich. Sie holten die tief verborgenen Ängste herauf und hielten sie dem Land vor Augen. Sie und ihre Fans waren dazu bestimmt, den Hass auf sich zu ziehen. Welche andere Band hatte sich auf eine solche Art mit diesem Thema auseinandergesetzt ? Natürlich konnte man auch über Frieden und Liebe singen, aber das taten schon die anderen. Die Böhsen Onkelz entstanden aus Spaß am Punkrock. Rebellion und bedingungslose Provokation waren die Hauptmotivationen. Hass was das, was aus ihnen heraus kam und was in konsequenter Art und Weise über einen Zeitraum von mittlerweile 13 Jahren verarbeitet wurde. Der Hass, über den jetzt noch gesungen wurde, war der Hass, der von außen auf sie zu kam. Die Onkelz hatten innerhalb ihrer Fangemeinde einen Status der Glaubwürdigkeit erreicht. Eine  Dimension mit so vielen Polen, konnte man getrost Universum nennen. Dem Betrachter erschloss es sich nur, wenn er es einmal in seiner ganzen Länge durchschritt. Quereinsteiger mussten jung der sehr interessiert sein, wenn sie den Zugang zur Musik der Onkelz erlangen wollten. Jeder, der nur mal so reinhörte, um etwas über die Band zu schreiben, der begriff nichts. 1993 war der Hass längst nicht mehr so präsent wie 1984. "Der nette Mann" lag jetzt 9 Jahre zurück. Das hieß nicht, dass es keine netten Männer mehr gab. Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Kinder waren 1993 genauso aktuell, wie immer. Der Hass, mit dem die Onkelz angeblich Geschäfte machten, war ein großes internationales Problem und war nicht den Onkelz anzulasten. Wer das nicht begriff, der war bei den Onkelz falsch, der würde in ihren Texten immer nur herauslesen, was in sein kleines Weltbild passte und der würde die Ansätze von Verständnis, die in vielen Liedern erkennbar waren, übersehen.


Am 01.05 organisierten die Onkelz ein eigenes "Rock gegen Rechts" Konzert in Geiselwind. 2000 friedliche Anhänger. Keine Ausschreitungen, keine Hitlergrüße, keine Glatzen. Die Onkelz überreichten dem Geiselwinder Bürgermeister einen Spendenscheck von 8000,- DM, ein Betrag, der für die Jugendarbeit ausgegeben werden sollte. Nach dem Konzert gab es positive Resonanz, sowohl in der Tagespresse, als auch im Fernsehen.
Es gab Frauenbands, die sich die "Lieben Tanten" oder die "Böhsen Schlampen" nannten, Fußballfanclubs, die Onkelzsprüche auf ihre Fahnen gestickt hatten. Ein Onkelz- und Opelfanclub mit dem Namen "Böhse Opels", "Böhse Onkelz MC" Motorrad Clubs, eine "Böhse Onkelt Rocker Kneipe" in Frankfurt-Sachsenhausen. Überhaupt gab es dort viele Kneipen aus dehnen Onkelzmusik dröhnte. Die Band hatte eine gewaltige Wirkung auf ihr Umfeld. Neu war, dass sich dieses Umfeld ausdehnte und dass es sowohl stahlharte Rocker, als auch Gymnasiasten und Hauptschüler, Teenies und Erwachsene ansprach, Kern-Asis, Sonderschüler und Freaks, Punks und Skins, Normalos und Fertige.
Ab 1993 wurden Onkelztexte im Sozialkundeunterricht durchgenommen. Lehrer ließen Onkelzmusik laufen, und Schulbücher befassten sich mit den beliebig interpretierbaren Texten. Oberbürgermeister verboten den Schulbüchereien Onkelzcassetten zu verleihen und Stadtväter verriegelten ihre Hallen.
Selten hatte eine Band mit ihrer Musik so viele unterschiedliche Meinungen provoziert.

Die Heiligen Lieder waren hart an der Grenze zur Vergoldung für 250 000 verkaufte Einheiten. Der Handel sträubte sich jedoch vor einer Goldverleihung. So wie der Eintritt in die Top Ten, wäre auch eine Goldene Schallplatte in diesem speziellen Fall eine Rekordleistung. "Gold trotz Boykott" musste also folgerichtig eines der nächsten Ziele der Band heißen. Nicht des Geldes wegen, sondern allein schon, um den Handel zu ärgern.
Die Onkelz machten alles im Alleingang. Bellaphon kümmerte sich längst nicht um all die Dinge, von denen sie noch vor 2 Jahren gesprochen hatten. Das komplette Management, die Konzerte, der Ordnerdienst und die Werbung wurde von dem Vier-Leute-Stamm in Frankfurt organisiert. Thomas Hess, Alphamann der krassesten Securitytruppe, die in und um Frankfurt zu buchen war, mauserte sich mehr und mehr zum Manager der Band. Unterstützt wurde er von Mo Sudmann, die für das Büro und die Diplomatie während der Verhandlungen mit Veranstaltern und Presse zuständig war. Stefan Siebert für´s Organisatorische und Stefan Stichler für die Fans und ihre T-Shirts.

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