Freitag, 24. Juni 2011

Die Geschichte Teil 8 - Oi, Oi, Oi

1980 - 1982
Aus der Menge an Bands gingen zwei Gruppen hervor, die in den wenigen Jahren ihres Wirkens, einen der größten Kulte, der jemals aus der britischen Arbeiterklasse entstanden war, zu neuem Leben verhalfen, dem Skinheadkult. "Angelic Upstarts" aus Tyneside, einer Werftarbeitergegend in Nord - London und die Fußballbesessenen "Cockney Rejects" aus dem Londoner Eastend. Sie waren weder Punks noch waren sie Skins, sondern schlicht Workingclass. Sie zogen gewaltige Scharen von Punks und Skins in die Hallen. Bei diesen Gigs kam es regelmäßig zu Schlägereien und blutigen Krawallen. Die Presse war auf blutige Fotos und Geschichten von randalierenden Fußballhooligans ganz besonders scharf. Ihre Berichterstattung war an Recherchefehlern und Lügen kaum noch zu überbieten. Diese Artikel gaben den Jugendlichen erst die präzise Anleitung, wie sie sich in Zukunft zu verhalten hatten, um diesem provokanten Bild zu entsprechen.
Feuer wurde mit Benzin gelöscht.
Der Sänger der "Rejects" hatte es sich zur Angewohnheit gemacht seine Songs mit einem hastigen Oi, Oi, Oi anzuzählen und lieferte damit der britischen Arbeiterjugend einen griffigen Schlachtruf.
Ab 1980 stand "Oi" für Punk ohne die Poser, für unsterilen, ehrliche Hardcore - Sound direkt aus dem Londoner Untergrund. Bis 1981 hatte sich "Oi" in den unteren Schichten Englands ausgebreitet.
Den wenigsten dieser Bands konnte man ein politisch motiviertes Image nachsagen, außer, dass sie mit der konservativen Regierung ihres Landes, der Arbeitslosigkeit in ihren Vierteln und der Unterdrückung ihrer Musik durch staatliche Zensoren nicht einverstanden waren. Was diese Bands im Sinn gehabt haben, war eine unpolitische Bewegung, die sich nicht zwischen Links und Rechts entscheiden sollte, sondern zwischen Richtig und Falsch, ohne dabei auf den Spaß von schnellen Konzerten und guten Partys verzichten zu müssen. Jugendliche ohne Aussicht auf Arbeit, Punks mit Irokesenschnitt, Bomberjacken und Doc Marten Boots und Hosenträgerskinheads, denen Margaret Thatcher und die Windsors am Arsch vorbei gingen.
Im Sommer 1981 erschien der zweite Oi - Sampler, "Strength through Oi". Der Titel war ein Wortspiel, dem das Hitlersche Reiseprojekt "Kraft durch Freude" = "Strenght through joy" zugrunde lag. Dummerweise war auf dem schwarz/weißen Cover der berühmt berüchtigte Skinhead Nicky Crane in klassischer Aggropose zu sehen. Crane galt als einer der führenden Köpfe des rechtsradikalen "Britisch Movement" und war angeblich durch einen Irrtum auf das Cover geraten. Die ultrafaschistoiden Mitglieder des "Britisch Movements" und der rechten Partei der "National Front" hatten schon Mitte der siebziger damit begonnen, die Skinheadszene massiv zu infiltrieren, nicht ohne Erfolg. Die Rassenkarte war gegenüber der gewaltbereiten Jugend ihr wichtigster Trumpf gewesen, der ihnen bei den Wahlen 77 ganze 250 000 Stimmen einbrachte. Dass die gesamte Szene nach rechts abwanderte oder dass die Oi - Bewegung von Beginn an einer nationalen Gesinnung nachhing, war gelogen. Dennoch, vielen älteren Skins waren die jüngeren gefolgt und in der Klasse zu sagen, "ich bin in der NF", brachte damals instant-respect auf dem Schulhof.
Jetzt, während des Revivals Anfang der Achtziger, gelang es den rechten Parteien erneut, Streit unter den Jugendlichen zu säen. Immer wieder prügelten sich die Fans untereinander. Niemals würden sich Skins und Punks zusammentun. Auf Grund des politischen Einflusses in ihrer Szene, war ihnen plötzlich nichts mehr gut genug. Der Mob wollte wissen auf welcher Seite seine Bands standen. Wer nicht Rechts war, war Links und wer kein Kommunist war, der musste ein Nazi sein.
Im Herbst 1981 erreichte "Oi" das Festland. Während der Skinheadkult von 69 in Groß-Britannien auf eine tiefverwurzelte Tradition innerhalb der Arbeiterklasse zurückblicken konnte und mit der Geburt von "Oi" ein furioses Revival durchmachte, war er in Deutschland ein neues Phänomen und zunächst völlig unpolitisch. Rejects, Upstarts und Gonads gehörten schon seit geraumer Zeit zu den anbetungspflichtigen Straßenbands der deutschen Punks, aber die neue Oi-Nachricht aus dem Mutterland der Jugendkulte gab den ermüdenden Großstadtszenen in Berlin, Hamburg und Frankfurt erst jetzt den längst fälligen Anstoß. Punks, das waren inzwischen 15jährige Hosenscheißer und Pißmannsgehilfen aus gutem Hause. Die waren nur Punks, weil sie es sich leisten konnten. Jedes zweite Kind auf einem Gettospielplatz war härter drauf als die. Berliner Boden war schon immer etwas fruchtbarer, wenn es um die Aussaat neuer Trends ging, und diesmal war es nicht anders. Gonzo und Kuchen hatten als erste Frankfurter begriffen, worum es ging und kamen im Oktober 81 mit kurzgeschorenen Schädeln von einer Berlinsauftour zurück. Als der harte Kern der FFM-Punx noch nach einem guten Halt suchte, lief Gonzo schon mit einem "Strength through Oi" T-Shirt durch die Gegend. "Kraft durch Oi", war die ironischste aller Metaphern und zu dieser Zeit auf geradezu makabre Weise real.
Am 14. November 1981 spielten die B.O. zusammen mit den Pseudos im türkischen Familienzentrum. Der Song "Türken raus" wurde hier als Lachnummer begrüßt.
Gonzo war einer der ersten Oi - Skins der Frankfurter Szene. Kevin, 18jährig, schwarzhaarig und noch als Asipunk, war sofort begeistert. Ein Oi - Punk/Skin zu werden erschien den B.O. als konsequenter und richtiger Schritt. Die Haare etwas kürzer und gepflegter zu tragen, mehr Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, jetzt, wo man volljährig war, sich trotzdem weiterhin den Schädel einzurennen und bei all dem Kampf die Band nicht sterben zu lassen, darin lag eine Herausforderung und die Hoffnung auf jede Menge Spaß. Noch im November schnitten sich Kevin und Stephan die Haare auf Streichholzlänge und tauschten ihre Mäntel gegen Bomberjacken.
Im Dezember 1981 nahmen sie ihre erste Single auf. "Idiot". Das Cover hatte Kevin gestaltet. Er hatte ein Schwert gemalt, um das sich eine Tattoo - Schärpe wickelte, auf der in altdeutschen Buchstaben "Böhse Onkelz - kill the Hippies Oi" stand. Neun kleine Fotos auf der Rückseite, auf denen die Onkelz zu sehen waren, ließen bereits den neuen Oi - Trend erkennen. Außer Pe sah niemand mehr aus wie ein Punk.

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